Leuchttürme. Einleitung in die Serie

Höhren Sie die Einleitung zu einer vierteiligen Serie um, über und von Leuchttürmen in Europa. Die Beschränkung auf Teile von Europa habe ich mir selbst auferlegt, weil die anderen Regionen entweder nix her-geben oder ich nichts davon weiß. Sie können aber davon ausgehen, dass es auf der ganzen Welt Leuchttürme gab und gibt, nämlich über-all dort, wo Seefahrt betrieben wird.


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Ich befinde mich gerade in unserem Studio oben auf dem Peilturm am Kap Arkona. Es ist 23 Uhr 15 und draußen ist es stockdunkel, nicht einmal die Milchstraße über mir ist im leichten Nebel zu sehen. Ich habe das Licht gelöscht, um diese außergewöhnliche Stimmung zu genießen: Dunkler geht nicht, und da draußen auf See, wo die Schiffe in gehöriger Entfernung vorbeiziehen, erst recht nicht. In einer wis-senschaftlichen Publikation in Science von 2023 wird Rügen als einer der am wenigsten lichtverschmutzten Orte Deutschlands genannt. Ab und zu klatscht ein Regenschauer an die Scheiben des Peilturmes und über das Kap und der Wind frischt auch gerade ziemlich auf. Wenn Sie mich fragen: das ist echtes Leuchtturmwetter.
Und natürlich: Alle 17 Sekunden huscht der Lichtfinger des 250 Meter entfernten Leuchtturmes Kap Arkona herüber.
Grundsätzlich gilt: Leuchttürme sind toll, sie sind super – bei bestem Urlaubswetter! Dann lassen sie sich nicht nur hier am Kap, sondern überall an den Küsten prima fotografieren – die Sonne befindet sich natürlich im Rücken des Fotografen, das Motiv – der Turm – steht unter blauem Himmel mit ein paar weißen Schäfchenwolken auf grü-nem Deich mit Schafen – ich sag´ ja: Tolles Fotomotiv. Fürs private Album. Aber ganz ehrlich, in Wahrheit als Foto und als Motiv langwei-lig…
Denn das, was ich da eben beschrieben habe, das ist ja nun wirklich kein Leuchtturmwetter. Überhaupt nicht. Das ist Touristen-, Strand- und Fahrradfahrerwetter, aber kein Leuchtturmwetter.
Bei dem Wetter und am Tag sind die Leuchttürme wirklich nur als Fo-tomotive gut, als Leuchtturm sind sie sinnlos – und ihr Licht ist auch aus.
Die wirklich guten Fotos von Leuchttürmen macht man bei oder nach besser unmittelbar nach Sturm, unter tiefem grauem Himmel, wenn die Wolken noch vom Sturm zerfetzt und die See noch hoch geht – und dann am besten aus dem Hubschrauber. Das ist Leuchtturmwet-ter! Und die Schafe? Die hat ein mitfühlender Schäfer schon lange eingesammelt. Oder man fotografiert Leuchttürme nachts, wenn ihre Lichtfinger die Dunkelheit durchdringen. Das ist dann Symbolik pur.
Und nun Themawechsel:
Stellen Sie sich einmal vor, dass Sie um 1875 das Kap Arkona mit Ihrem 40 Meter langen Handelssegler nach tagelangem Sturm und hohem Ostsee-Seegang ohne Sicht auf irgendwelche Landmarken umsegeln wollen, um über die südöstliche Anfahrt nach Stralsund zu gelan-gen. Moderne Navigation wie GPS? Vergessen Sie´s gleich wieder. Das dauert noch 100 Jahre. Ihr Schiff liegt mit einer Ladung Kalk-steine tief, es rollt und stampft schwer im Seegang, es nimmt Wasser auf und ist schwer zu steuern. Die Segel haben Sie gerefft. Sie wissen schon lange nicht mehr, wo sich Ihr Schiff genau befindet, Strömung und Wind könnten es sonst wo hin vertrieben haben. Sie haben nichts außer ihrem Gefühl – und das ist mies. Und dann plötzlich reißt der Sturm die niedrig hängende Wolkendecke für einen Moment auf, und Sie sehen für einige Momente alle 17 Sekunden ein paar Mal das Licht eines Leuchtturmes aufblitzen. Da wissen Sie, wo Sie sich befin-den: Kap Arkona an Backbord und weit genug entfernt. Sie danken Gott oder sonst wem für den Leuchtturm.
Der ältere der beiden Leuchttürme auf Kap Arkona wurde 1827 und der neuere 1905 angezündet, um den Schiffen den Weg ums Kap zu weisen. „Bleib´ bloß weg hier, hier ist ein Schiffsfriedhof!“, sagt das Licht den Schiffern da draußen.
Spätestens seit 1800 drängten Handelshäuser an der Ostsee darauf, an den gefährlichsten Küstenabschnitten Leuchtfeuer zu bauen.
Die schwedischen Herren waren aber nicht interessiert. Nach dem Kauf Westpommerns und Rügens durch Preußen im Jahre 1815 ging es dann sehr schnell. Schon 1827 wurde das Feuer des später so genann-ten Schinkelturmes auf Kap Arkona gezündet.

Warum hat man Leuchttürme gebaut? Klar, um Schiffen den Weg um Riffe und Untiefen und/oder in sichere Häfen zu weisen. Seekarten waren noch ungenau, sie zu erstellen war eine große wissenschaftli-che Herausforderung. Und dann gab es noch Bereiche, in denen Sand-bänke sich sehr dynamisch verlagerten – einer dieser Bereiche war vorm Gellen zwischen Hiddensee und Bock in der nordwestlichen Zu-fahrt zu Stralsund.
Leuchttürme sind extreme Ressourcenfresser – technisch anspruchs-voll und sehr teuer in Bau und Unterhalt. Wobei der Bau der Türme an der Ostsee ansich nicht das Problem war – mauern konnte man seit Jahrhunderten prima – , problematisch war das Licht!
Erst mit der Erfindung der Glühbirne hatte man endlich ein Medium gefunden, das immer wieder optimiert, über Kilometer und Seemeilen sichtbar war. Vorher war man auf Petroleum- – Verzeihung – „-funzeln“ angewiesen, davor noch auf offene Feuer.
Tagsüber mussten die über Nacht verbrannten zig Liter aus den Vor-ratsräumen am Boden der Türme in die luftige Höhe der Brennstelle transportiert werden, und die verrußten Lampen, Spiegel und Linsen mussten aufwendig gereinigt werden. Viel Arbeit für einen oder zwei Mann der Leuchtturmbesatzung. Einen großen Fortschritt brachte die Fresnel-Linse. Sie wurde um 1822 vom französischen Physiker Fresnel genau für den Einsatz in Leuchttürmen entwickelt. Das Funktionsprin-zip erdachte allerdings schon de Buffon im Jahre 1748.
Leuchttürme wurden zuerst von Staaten gebaut, die sich die Ressour-cen leisten konnten oder wollten und/oder die über große Handels-flotten verfügten, deren Eigner den Bau und Betrieb von Leuchttür-men durchsetzen konnten. Als Beispiele nenne ich die britischen und französischen Kolonialreiche. Und warum dann Rügen?
Preußen wollte Kolonial- und Seemacht werden. Also baute man Leuchttürme und legte die ersten Feuerschiffe aus, wo man keine Leuchttürme bauen konnte.
Eine Automatisierung war erst ab 1980 technisch zu realisieren, vorher mussten Leuchttürme bemannt betrieben werden. Das bemannte Betreiben war bei den Leuchttürmen an der Ostsee problemlos mög-lich, bei den Leuchttürmen in der Biskaya oder an einigen britischen Küsten aufgrund der Lagen bestimmter Türme und teilweise extremen Witterungsbedingungen dagegen schwierig bis extrem schwierig.

So, und nun soll es losgehen. Hören Sie den ersten Podcast über den Beginn von allen Leuchttürmen.