Da können Sie am Kap lange suchen, auf Wittow auch. Sie werden sie nicht finden. Garantiert nicht, denn es gibt sie ja nicht. Irgendwer hat damals vergessen, sie in Auftrag zu geben. Und deshalb ist der Platz, an dem sie stehen sollte oder könnte jetzt leer.
Man stelle sich vor, sie stünde da, dort oben am Kap Arkona, leicht seitlich versetzt, als wollte sie niemandem im Wege sein, und doch mit einem ganz klaren Anspruch auf Bedeutung.Die Schinkel-Bank. Nicht echt, nicht offiziell, aber mit Haltung.Ihr Holz: Eiche, trocken und hart, aus gutem Bestand. Ihre Lehne: im rechten Winkel, natürlich. Ihre Sitzfläche: exakt vier Fuß, damit auch zwei Bildungsreisende im Diskurs nebeneinander Platz finden.Und auch wenn es sie gar nicht gibt, hat sie einen festen Ort in ihrem Innern – genau zwischen dem sogenannten Schinkelturm und dem Licht, das daraus fällt. Sie weiß, dass Karl Friedrich Schinkel diesen Turm vermutlich nicht entworfen hat. Sie weiß es ganz genau. Und sie weiß auch, dass er 1835 mit Gemahlin am Kap weilte, eher als Gast denn als Architekt, und dass sein Name durch einen Kupferstecher, durch Druckerschwärze und spätere Zuschreibungssehnsucht mit dem Turm verbunden wurde.Aber sie denkt sich nichts dabei. Sie kennt das – als Bank. Man wird manchmal aufgestellt, wo man nicht hingehört, und manchmal steht man nicht da, wo man eigentlich gemeint war. Es gibt schlimmere Schicksale als das des Konjunktivs.Wer sich auf sie setzt, sitzt womöglich auf dem Irrtum einer Epoche, aber mit Aussicht. Und wer mit etwas Liebe zur Linienführung Platz nimmt, spürt in den Lenden vielleicht sogar das, was man preußische Ordnung nennen könnte, ohne es gleich unfreundlich zu meinen.Die Schinkel-Bank spricht nicht. Aber sie denkt – in Axonometrie. Sie denkt an das, was hätte sein können, an den Moment, als der große Architekt in die Weite blickte, schweigend, tastend, und das Kap für einen Moment nicht nur Landschaft war, sondern Linie, Volumen, Perspektive.Und während unten die Wellen schlagen, lehnt sie sich ein klein wenig zurück – nicht zu weit, gerade so viel, wie es dem Maßstab erlaubt – und träumt davon, irgendwann doch einmal gebaut zu werden. Vielleicht von jemandem, der zu viel liest und zu wenig glaubt. Oder umgekehrt. Und dann würde sie dasitzen, ganz leise, aber mit tragender Funktion.